Happy Birthday, Christoph Schlingensief
Today Christoph Schlingensief would have turned 50.
We miss you, Christoph!
Today Christoph Schlingensief would have turned 50.
We miss you, Christoph!
Caro Signore Moos
Für Ihren ausführlichen Vortag am politischen Stehtisch der Winkelwiese, zum Thema “Italia – dove vai?”, – gestern Abend möchte ich mich sehr herzlich bedanken.
Abgesehen von meinen nüchternen Bemerkungen, Rubi Ruba Cuori (die Herzen stehlende) sei aus Mexico, – ein simpler Versprecher, – natürlich ist sie aus Marocco, sowie die Referenz zu Norma Jeane, – den ich im übrigen vor 8 Jahren in Zurich durch Giovanni Carmine, dem Kurator der Kunsthalle St. Gallen, habe persönlich kennenlernen dürfen, zielte meine Kernfrage natürlich darauf ab, worum es denn um die beschädigte Kulturlandschaft Italiens steht. – Wir kennen den Zustand des napoletanischen “Museo dell’ Arte” und der Scala in Mailand, dass in Palermo an der Kunsthochschule Gelder gestrichen werden. – Trotzdem, erinnern wir uns an den Hungerkünstler von Kafka. Berlin hat EUR 63 Milliarden Schulden und bestellt derzeit, – nebst Paris, – die zweitmächtigste Kulturstadt Europas. – Mit Erfolg! In Macerata findet, seit Jahren, das grossartigste und kulturell etablierteste Opernfestival statt, dass ich in den vergangenen 4 Jahren persönlich verfolgte. – Das Opernhaus ZuReich, welches jährlich CHF 80 mio an Steuergeldern zerfrisst, hat eine derart avantgardistische Aufführung, wie sie in Macerata aufgeführt wird, noch nie zu Stande gebracht! Wir erinnern uns: nicht mal eine bekannte Grösse wie Cecilia Bartoli, – eine verfressene, dank persönlichen, dublios-mafiösen Kontakten, eingeführte Persönlichkeit, – hat es nicht zu Stande gebracht, dem Opernhaus die adäquate Reputation zu “vereinleiben”. – Meine persönlichen Freunde, Doma Smoljo und Carmen Weiskopf, vom Künstlerduo “bitnik” vermochten nicht das Opernhaus ZuReich auf eine zeitgemässe Auseinandersetzung zum Thema Copyleft zu bewegen. (Diese Stadt besitzt einfach zu viel Kapital!)
Christoph Marthaler wurde verjagt, – darf höchstens noch im “Hotel Waldhaus” in Sils Maria unter intellektuellen Aristokraten aufführen, – Christoph Schlingensief ist tot. – ZuReich brennt nicht (mehr)!
Andreas Zumach (ver)leitete die Diskussion (leider) immer wieder auf eine sehr “deutsche” Perspektive, wie sich die deutsche Politik, die Interessen der europäischen Zentralbank im Hinterkopf habend, eine mögliche italienische Konstitution wünscht. – Ist denn der Zustand nicht genau umgekehrt zu betrachten: in Deutschland sind genauso “Clowns” im Amt wie sie soeben in Italien gewählt wurden? Wissen wir nicht, dass die Abgeordneten des europäischen Parlamentes Ihre “Bunga-Bunga” Parties zwar verdeckt, sowie die CEO’s der Banken in ihren Privat-Jets insgeheim abhalten, und, – gerade deshalb, – die Italiener aus “Politik Verdrossenheit” Clowns in die Regierung wählen? Ist es denn nicht ehrlicher von offensichtlichen “Clowns” regiert zu werden, als so zu tun als würde man den regierenden Mehrheiten abkaufen, dass “Wachstum” und Wirtschafts-Lobby Interessen erreichbare Ziele sind?
Gerne stelle ich mir vor dass ein Land von einem Zirkus regiert wird, als dass man sich von Entscheidungsträgern wie Mario Dragi, – einem Goldman Sach Adepten, – sagen lassen wie Gelder zu investieren, bzw. zu vermehren sind!
Als einziges Land in Europa unterscheiden wir zwischen “Steuerhinterziehung” und “Steuerbetrug”. – Der Paradigmenwechsel zur Zusammenführung dessen ist uns zum Glück noch nicht widerfahren! Ich kenne keinen Präzendenzfall der diese Unterscheidung in Frage stellen würde.
Wir haben den Handlungsspielraum, unsere, – auf der Basis unlauteren Erwerbs erwirtschafteten Kapitals, – formaljuristisch legal in Kunst und Kultur zu investieren! – Warum tun wir dies nicht? Im Gegensatz zu Italien, dem insolventen “Clown”-Staat kultivieren wir in der CH seit Jahrzehnten die “legalisierte Korruption”! Marcel Ospel trug seine “Bunga Bunga” Parties im firmeneigenen Privatjet durch, wogegen Silvio Berlusconi seine Sex-Parties in der Öffentlichkeit diskutieren lässt (sogar in seinem privatem Fernsehsender), was ihn für seine Wähler um so attraktiver macht! – Aus Sicht der Italiener macht ihn dies wählbar.
In Nordeuropa sind wir es gewohnt uns von politischen Despoten, – die uns normative, sozial verträgliche Versprechen machen, – die politisch-wirtschaftliche Agenda bestimmen zu lassen. – Warum so heuchlerisch?
Die Wähler in Griechenland hatten nicht die Kraft aufzustehen. – Warum lassen wir es nicht zu, dass die Italiener eine Zirkus Regierung ins Amt wählen? – Mit all’ der Konsequenz dass endlich das System “zu Boden gefahren wird”? – Ganz so wie es Slavoj Zizek prophezeit? – Warum lassen wir nicht ein “null-Wachstum” zu um zu begreifen, dass die Natur keinen “Mehrwert”, als vielmehr eine “Kompostierung” von Wert zulässt?
Norma Jeane, – der Italiener und Neoist, – hatte damals das Fett, das sich Silvio Berlusconi in der Schönheits-Klink hat absaugen lassen, zu einer Seife verarbeitet und im Helmhaus ZuReich ausgestellt. – Sollten wir vielleicht als Schweizer Kulturschaffende nicht auch die Despoten am Paradeplatz und Kapital-Vixer in Zug zu Waschmittel verarbeiten?
Herzlich, Ihr Lx
Christoph Schlingensief died today, 21st of August 2010, in Berlin, Germany.
Here’s his farewell letter:
“Es gibt jetzt leider ein paar harte Neuigkeiten, denen sofort nachgegangen werden muss! Meine Ängste während unserer letzten Produktion Via Intolleranza II haben sich leider bestätigt, und schon diese Arbeit war ein harter Kampf, den ich nur mit Eurer Hilfe bewältigen konnte.
Bitte versteht mich, wenn ich jetzt Zeit brauche und eben nicht darüber phantasieren möchte, ob ich in dieser Situation nicht die Möglichkeiten mich künstlerisch auszudrücken, gerade nutzen sollte. Die Zeit verlangt aber gerade den reinen Realismus, und der Ausdruck kommt so oder so. Ob durch mich oder andere, die darüber ihre eigenen Existenzfragen beantworten wollen. Vielleicht kann S.M.A.S.H. sogar später noch stattfinden. Die Erfahrungen gehen doch weiter, und die damit verbundenen Gedanken werden sowieso einfließen … Aber bitte lasst (meiner Frau) Aino, meinen Freunden und mir jetzt diese Zeit, und Willy Decker und Ulrich Khuon haben das auch sofort verstanden.
Es ist für uns alle sehr bitter … aber ich sehe nach sehr gründlichen und traurigen Überlegungen: diese Arbeit zu diesem Zeitpunkt würde keine Kraftspende, sondern nur ein höchstriskantes “Spielchen” werden, das nur den einen Zweck hätte, nämlich so zu tun, als wäre die beste Therapie: Augen zu und durch. Und das darf jetzt auf keinen Fall passieren.
Aino und ich haben uns unglaublich auf diese Arbeit gefreut. Wieder bei der Ruhrtriennale arbeiten zu können, die mir schon vor zwei Jahren zu Beginn dieser nicht enden wollenden Krise sehr geholfen hat, wäre für mich eine große Ehre gewesen! Aber nun heißt es, schnell auf die neuen Befunde reagieren, und dann erst sehen wir weiter. Ich danke Euch allen und vermisse Euch schon jetzt! Ich hoffe sehr, dass wir die jetzt entstandene Situation bewältigen werden.
Euer Christoph!”